Obwohl der Übergang der Türken vom Schamanismus zum Islam Jahrhunderte zurückliegt, sind viele schamanische Bräuche und Traditionen bis heute erhalten geblieben. Diese Bräuche, die tief in der Geschichte der türkischen Kultur verwurzelt sind, haben im Laufe der Zeit eine besondere Bedeutung erlangt. Hier ein Überblick über einige dieser faszinierenden Traditionen:
Wasser hinter Reisenden gießen
Der Brauch, Wasser hinter einer Person zu gießen, die auf Reisen geht, stammt aus dem schamanischen Glauben an die „Wasserkultur“. Es symbolisiert den Wunsch, dass die Reise glatt und ohne Hindernisse verläuft, so wie Wasser fließt.
Bleigießen
Das Bleigießen, ein Ritual zur Abwehr negativer Energien und böser Geister, hat ebenfalls seinen Ursprung im Schamanismus. Früher wurde es praktiziert, um den Einfluss von Geistern zu mindern, die den Menschen schaden könnten.
Rotes Band für Mütter
Frisch geborene Mütter tragen traditionell ein rotes Band um den Kopf. Dieser Brauch, der aus der schamanischen Zeit stammt, sollte Mutter und Kind vor bösen Geistern, insbesondere dem sogenannten „Albız“, schützen.
Nazar – Der böse Blick
Der Glaube an den „bösen Blick“ ist in der türkischen Gesellschaft tief verwurzelt. Menschen tragen Nazar-Amulette, um sich vor negativen Energien und schädlichen Blicken zu schützen. Diese Tradition hat ihren Ursprung im schamanischen Glauben, dass bestimmte Blicke Unheil bringen können.
Musik in Ritualen
Musik spielte in schamanischen Ritualen eine zentrale Rolle. Instrumente wie die Trommel und die Kopuz wurden bei Zeremonien verwendet. Obwohl Musik im Islam bei religiösen Anlässen oft verboten ist, wird in Anatolien der Lebensweg des Propheten Mohammed und seiner Gefährten in musikalischer Form erzählt – ein klarer Einfluss aus schamanischer Zeit.
Auf Holz klopfen
Der Brauch, dreimal auf Holz zu klopfen, um Unglück abzuwehren, hat ebenfalls schamanische Wurzeln. Es sollte verhindern, dass böse Geister schlechte Nachrichten hören. Interessanterweise gibt es ähnliche Bräuche in westlichen Kulturen, etwa „Knock on wood“ in den USA.
Alkoholische Getränke
In der alten türkischen Kultur war es üblich, bei Hochzeiten oder Festen alkoholische Getränke zu konsumieren. Dieser Brauch, der mit Musik und Tanz verbunden war, widerspricht den islamischen Geboten, spiegelt jedoch die schamanische Vergangenheit wider.
Unterstützung des Kopfes beim Trinken
Ein weniger bekannter Brauch ist das Halten des Kopfes mit der Hand während des Trinkens. Schamanen glaubten, dass der Geist eines Menschen beim Trinken „davonfliegen“ könnte, weshalb man den Kopf festhielt, um ihn zu schützen.
Mit dem rechten Fuß beginnen
Das Verlassen des Hauses mit dem rechten Fuß wird als glücksbringend angesehen. Diese schamanische Tradition sieht den linken Fuß als Symbol für Unglück, weshalb man ihn vermeiden sollte.
Gedenken an Verstorbene nach 40 Tagen
Im Schamanismus glaubte man, dass die Seele eines Verstorbenen 40 Tage braucht, um den Körper zu verlassen. In dieser Zeit wurden Rituale abgehalten, um der Seele zu helfen, ihren Weg ins Jenseits zu finden. Die heutige Tradition, nach 40 Tagen an Verstorbene zu erinnern, hat ihre Wurzeln in dieser Praxis.
Diese und viele andere Traditionen zeigen, wie tief die schamanischen Wurzeln in der türkischen Kultur verankert sind. Trotz der Anpassung an den Islam und andere kulturelle Einflüsse bleiben diese Bräuche ein lebendiger Teil des türkischen Alltags.
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