Der Fall von Cem Şahin, einem 20-jährigen Lymphom-Patienten aus İzmir, sorgt in der Türkei für Empörung. Cem wartete auf eine lebensrettende Stammzelltransplantation, doch nachdem der gefundene Spender kurzfristig absprang, verlor er den Kampf gegen die Krankheit. Die Familie erhebt schwere Vorwürfe gegen das Gesundheitssystem und kritisiert gravierende Fehler im Behandlungsprozess.

Von der Diagnose zur Hoffnung: Cem Şahins Kampf gegen den Krebs

Im März 2023 erhielt Cem Şahin die niederschmetternde Diagnose: Lymphdrüsenkrebs (Lymphom). Trotz intensiver Chemotherapie schlug die Behandlung nicht wie erhofft an. Die Ärzte entschieden sich daher für eine Stammzelltransplantation – Cem brauchte einen geeigneten Spender.

Nach langer Suche wurde schließlich ein passender Donor gefunden. Für Cem und seine Familie war dies ein Hoffnungsschimmer: Eine Transplantation sollte ihm eine neue Chance auf Leben ermöglichen. Der Eingriff wurde für den 15. April angesetzt.

Unvorbereitete Behandlung und erste Verzögerungen

Doch es gab erste Probleme: Der Spender hatte sich im Februar ein Tattoo stechen lassen – eine Prozedur, die eine gewisse Zeit zur Regeneration des Immunsystems erfordert. Aufgrund dieser medizinischen Einschränkung musste die Transplantation verschoben werden. Der neue Termin wurde auf Juni gelegt.

Während dieser Wartezeit wurde Cem auf die Transplantation vorbereitet. Er erhielt eine hochdosierte Chemotherapie, die sein eigenes Knochenmark zerstören sollte, um Platz für die Spenderzellen zu machen. Dieser Prozess schwächt das Immunsystem extrem – eine Phase, in der der Körper des Patienten besonders anfällig für Infektionen und Komplikationen ist.

Donor zieht sich kurzfristig zurück – fatale Konsequenzen

Kurz vor der geplanten Stammzellspende dann der Schock: Der Spender zog sich plötzlich zurück. Cem befand sich bereits in einer hochkritischen Phase der Behandlung – sein Immunsystem war zerstört, eine Transplantation war nun unumgänglich.

In größter Not entschieden sich die Ärzte, auf die Stammzellen von Cems Mutter, Filiz Şahin, zurückzugreifen. Doch diese Lösung war nicht optimal: Die genetische Übereinstimmung war nicht ideal, und das Risiko von Komplikationen erheblich erhöht.

Die gesundheitliche Lage des jungen Mannes verschlechterte sich rapide. Nur wenige Tage nach der misslungenen Transplantation erlitt er eine schwere Infektion. Sein Körper war zu geschwächt, um dagegen anzukämpfen. Am 20. Juni verlor Cem Şahin den Kampf gegen den Krebs.

Familie erhebt schwere Vorwürfe gegen das Gesundheitssystem

Für die Familie ist klar: Cem hätte noch leben können, wenn das Gesundheitssystem nicht so viele Versäumnisse aufgewiesen hätte. In einem bewegenden Interview mit Sözcü TV bei Uğur Dündars Arena prangerten sie eine Reihe von Missständen an:

  • Fehlende Absicherung der Spenderzusage: Warum wurde der Spender nicht rechtzeitig auf seine Eignung geprüft?
  • Unzureichende Vorbereitung: Warum begann die aggressive Chemotherapie, bevor eine sichere Spenderzusage bestand?
  • Hygienische Mängel im Krankenhaus: Laut Mutter Filiz Şahin herrschten während Cems Aufenthalt im Krankenhaus untragbare Bedingungen – auf derselben Etage wurden Bauarbeiten durchgeführt, was Infektionsrisiken erhöhte.

Vergleich mit europäischen Standards – Kritik am System

In Europa wird ein Stammzellspender erst zugelassen, wenn er sich einem detaillierten Vorbereitungsprozess unterzieht. In Deutschland und anderen Ländern gibt es klare Vorgaben, um sicherzustellen, dass eine Spende nicht kurzfristig abgesagt wird. Patienten dürfen zudem erst dann mit der Chemotherapie beginnen, wenn die Transplantation zu 100 % gesichert ist.

Doch in Cems Fall gab es offensichtlich keinen solchen Schutzmechanismus. „Es gibt so viele andere junge Menschen wie Cem, die auf eine Transplantation warten. Dieses System muss reformiert werden, damit sich solche Tragödien nicht wiederholen“, fordert die Familie.

Familie fordert Konsequenzen – Ermittlungen eingeleitet

Die Familie reichte im September 2024 Beschwerden beim türkischen Gesundheitsministerium und bei der Staatsanwaltschaft ein. Sie fordern eine tiefgehende Untersuchung der Versäumnisse in Cems Fall.

Besonders emotional sind die Worte von Cems Mutter: „Niemand sollte das durchmachen müssen, was wir durchgemacht haben. Dieses System muss sich ändern. Ich will nicht, dass noch mehr junge Menschen wie Cem ihr Leben verlieren.“

Der tragische Fall von Cem Şahin rückt erneut die Mängel des türkischen Gesundheitssystems in den Fokus. Ob es tatsächlich zu Reformen kommen wird, bleibt abzuwarten. Doch für Cem und seine Familie kommt jede Veränderung zu spät.