In der westlichen Türkei, genauer in Izmir, stehen seit über fünf Monaten die Arbeiter des Landwirtschaftsunternehmens Agrobay im Fokus der Öffentlichkeit. Der Grund: anhaltende Proteste gegen das, was sie als unrechtmäßige Entlassungen und unmenschliche Arbeitsbedingungen bezeichnen. Die betroffenen Personen berichten von Mobbing am Arbeitsplatz und der Verweigerung grundlegender Rechte, wie dem Gang zur Toilette. Zusätzlich fühlen sie sich ungerecht behandelt, da sie ihrer Ansicht nach ohne angemessene Entschädigung entlassen wurden.

Diese Vorfälle werfen nicht nur ein schlechtes Licht auf Agrobay, sondern auch auf einen ihrer größten Kunden – den deutschen Discounter Lidl. Mit seinen fast 12.000 Filialen in 30 Ländern und einem Jahresumsatz von rund 115 Milliarden Euro gilt Lidl als einer der größten Discounter weltweit. Agrobay, das vor allem für die Lieferung von Tomaten an Lidl-Filialen in Deutschland bekannt ist, steht nun im Zentrum der Kritik.

Die Vorwürfe gegen Agrobay sind schwerwiegend. Berichten zufolge wurden zwischen dem 22. und dem 25. August 2023 insgesamt 39 Mitarbeiter entlassen, darunter zwei Büroangestellte und 37 Arbeiter, von denen 34 Frauen waren. Viele dieser Entlassungen erfolgten kurz nachdem sich die Betroffenen bei der landwirtschaftlichen Gewerkschaft Tarim-Sen organisiert hatten, was in der Türkei eigentlich ein gesetzlich geschützter Akt ist.

Die Missstände bei Agrobay reichen von direktem Mobbing durch Vorgesetzte bis hin zur Verweigerung grundlegender menschlicher Bedürfnisse. So berichtet beispielsweise Ayten Yavuz, eine ehemalige Mitarbeiterin in der Pflanzenpflege, von erniedrigenden Kommentaren und dem Verbot, während der Arbeitszeit die Toilette aufzusuchen. Frauen wurden zudem für Aufgaben eingesetzt, die traditionell Männern vorbehalten waren, und das unter prekären Bedingungen, was den Verdacht nahelegt, dass sie als billige Arbeitskräfte ausgenutzt wurden.

Die Gewerkschaft Tarim-Sen und deren Präsident Umut Kocagöz machen nicht nur Agrobay für diese Zustände verantwortlich, sondern auch Lidl. Sie argumentieren, dass der deutsche Discounter als Auftraggeber eine Mitverantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten und Arbeitsstandards in seiner Lieferkette trägt. Dies wird besonders im Kontext des neuen deutschen Lieferkettengesetzes relevant, das Unternehmen dazu verpflichtet, Menschenrechte und Umweltstandards sowohl im Inland als auch im Ausland zu beachten.

Lidl hat auf die Vorwürfe reagiert und bestätigt, interne Ermittlungen eingeleitet zu haben. Das Unternehmen betont, alle Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen ernst zu nehmen und an der Minimierung negativer Auswirkungen in den Lieferketten zu arbeiten. Es bleibt jedoch abzuwarten, welche konkreten Schritte unternommen werden, um den Missständen bei Agrobay entgegenzuwirken und zukünftige Verletzungen zu verhindern.

Die Situation bei Agrobay und die Reaktion von Lidl werfen wichtige Fragen bezüglich der Verantwortung von Unternehmen für ihre Lieferketten auf. Das deutsche Lieferkettengesetz könnte ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung sein, um solche Missstände aufzudecken und zu beseitigen. Für die betroffenen Arbeiter bei Agrobay bleibt die Hoffnung, dass die öffentliche Aufmerksamkeit und der Druck auf die beteiligten Unternehmen zu einer Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen und einer gerechten Behandlung führen werden.